Druckansicht - Donnerstag 16. Dezember 2010
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Das Papsttum vom Ersten zum Zweiten Vatikanum
 

„Die Frage des Primates des Bischofs von Rom über die gesamte Kirche gehört ökumenisch zu den schwierigsten, belastendsten, aber auch zu den ökumenisch wichtigsten und brennendsten Fragen. Wenn es um den Papst geht, geht es um weit mehr als um theologische und juristische Einzelprobleme. Die Frage des Papsttums weckt im Pro wie im Contra Emotionen, sie begegnet begeisterter Zustimmung wie Vorurteilen und antirömischen Affekten - das letztere auch bei manchen Katholiken." Mit diesen Worten hat Kardinal Walter Kasper die Frage des Petrusamtes aus ökumenischer Perspektive beschrieben, als er im Jahr 2000 bei einem Symposion über das Papstamt an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Innsbruck referierte. Fünf Jahre zuvor hatte Papst Johannes Paul II. in seiner 1995 erschienenen Enzyklika „Ut unum sint" zu einer theologischen Diskussion eingeladen, um „eine Form der Primatsausübung zu finden, die keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet."

 

Die Form des Petrusdienstes hat ja im Verlauf der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche eine große Bandbreite an Gestaltungen erfahren. Etliche Jahrhunderte hindurch hat es keine zentrale Kirchenleitung in unserem heutigen Sinn gegeben. Trotzdem war der Papst nicht nur ein „primus inter pares", sondern „letzte Instanz" der Lehre und der Disziplin. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist aber das Papstamt durch verschiedene Umstände befördert in den Mittelpunkt des katholischen Lebens gerückt: Die Ideen der Aufklärung, die Turbulenzen der Französischen Revolution, die staatskirchlichen Übergriffe in der Phase des Liberalismus ließen die Katholiken hoffnungsvoll auf den Papst als Hort der Wahrheit und Freiheit blicken. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstand so eine „Papstverehrung" besonderer Art; der jeweils regierende Papst wurde und wird fast wie ein Heiliger verehrt.

 

Das 1. Vatikanische Konzil, das für 1869 einberufen war, musste 1870 vorzeitig abgebrochen werden, weil die Besetzung Roms durch die Truppen, die die politische Einigung Italiens vorantrieben, ein weiteres gedeihliches Arbeiten der Kirchenversammlung nicht mehr möglich machte. Die Lehraussagen des Konzils über den Papst, seinen Jurisdiktionsprimat und sein unfehlbares Lehramt sind durch diese äußere Situation entscheidend geprägt. In der Vorbereitungsphase des Konzils war ein großes Lehrdokument über die Kirche geplant, in diesem Rahmen sollte die Lehraussage über das Papstamt und die Aufgabe der Bischöfe stehen. Bedingt durch die äußere Situation und die starke Akzentuierung des Summus Pontifex im katholischen Denken des 19. Jahrhunderts kam im Lehrdokument „Pastor aeternus" über die katholische Kirche in vier Kapiteln nur die Thematik des Primates zur Sprache. Die Konzilsmehrheit sah die Kirche von allen Seiten von Feinden umzingelt - wie eine belagerte Festung. Es sollte sichergestellt werden, dass die Kirche auch in extremen Situationen handlungsfähig bleibt. Als Ausweg sah man an, den Primat als absolute Souveränität zu definieren.

 

Das Petrusamt war damit aus dem „natürlichen" Umfeld herausgelöst. Die Lehraussagen über den Papst wirkten durch ihre Isolierung schroffer und unerbittlicher als in einer sinnvollen ekklesiologischen Einbindung. Zu Recht betonte Kardinal Kasper beim zitierten Symposion in Innsbruck: „Das Problem ist nicht das Dogma als solches, sondern seine maximalistische Interpretation ... Dadurch ist das, was für einen Ausnahmezustand gedacht war, zum Normalzustand geworden."

 

Das zweite Vatikanische Konzil war bemüht, diese „Isolation" des Primates aufzuheben. Dies geschah nicht, indem Aussagen korrigiert wurden, vielmehr versuchte man, das Petrusamt in das Ganze der Kirchentheologie zu integrieren. Kirche als Gemeinschaft war ja im 20. Jahrhundert viel deutlicher ins Bewusstsein vieler getreten als zuvor. Romano Guardini hatte 1921 von dem wunderbaren Vorgang gesprochen, dass die Kirche in den Seelen erwacht. Kirche als Leib Christi, Kirche als Volk Gottes war in den Jahrzehnten vor dem 2. Vatikanischen Konzil immer deutlicher auch theologisch in den Vordergrund gerückt. Dieses neu erwachte Kirchesein sollte in der Intention Papst Johannes XXIII. durch das Konzil gestärkt werden. Die Kirchenversammlung sollte ein dreifaches Ziel anstreben, wie Artikel 1 der Liturgiekonstitution formuliert: (1) „das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr vertiefen, (2) die dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anpassen, (3) fördern, was immer zur Einheit aller, die an Christus glauben, beitragen kann". (SC 1) Die große Besinnung der Kirche auf ihre Sendung und Berufung sollte auch zu ihrer Standortbestimmung in der Welt von heute führen, wie sie im wahrhaft monumentalen Dokument „Gaudium et spes" zum Ausdruck kommt.

 

Das Konzil spricht vom Papsttum in dieser großen Perspektive. Die Kirchenkonstitution des 2. Vatikanums „Lumen gentium" bietet schon in der Abfolge der einzelnen Kapitel eine wichtige theologische Orientierung. Während man das lang bestimmende Kirchenbild mit einer Pyramide vergleichen konnte, wo der Blick von der einsamen Spitze bis zur breiten Basis gleitet, geht das Konzil bei seiner Beschreibung von Kirche einen ganz anderen Weg: Zuerst ist vom Mysterium der Kirche die Rede, von ihrer Rolle im Heilsplan Gottes. Sie ist eine komplexe Wirklichkeit, die aus einem menschlichen und einem göttlichen Element zusammenwächst (LG 8). Kirche ist in und durch Christus Sakrament der Einheit der Menschheit mit Gott und Sakrament der Einheit der Menschheit untereinander. Die ganze Kirche, das gesamte Volk Gottes nimmt teil am priesterlichen und prophetischen Amt Christi.

 

Erst auf diesem Hintergrund, erst in diesem Kontext kommt das Konzil im dritten Kapitel der Kirchenkonstitution auf die „hierarchische Verfassung der Kirche, insbesondere auf das Bischofsamt" zu sprechen. Zu Beginn dieses Abschnittes wird ausdrücklich erklärt: „Die Heilige Synode setzt den Weg des Ersten Vatikanischen Konzils fort" (LG 18). Die Lehre des 1. Vatikanums „über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates, sowie über dessen unfehlbares Lehramt" legt das Konzil nochmals als „fest zu glauben" vor, betont aber, dass das am 1. Vatikanum Begonnene nun fortgeführt werden soll durch die Lehre von den Bischöfen, die mit dem Nachfolger Petri zusammen das „Haus des lebendigen Gottes" leiten. Das Konzil spricht in diesem Zusammenhang von der Kollegialität der Bischöfe, von der Würde des Dienstes der Laien, von der Bedeutung der Ortskirche, vor allem aber vom Verständnis der Kirche als „communio". Kirche ist vor aller Unterscheidung und vor allen Diensten und Aufgaben Gemeinschaft: „Einer ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder (und Schwestern)" (Mt 23,8).

 

Der Wille zur Integration des Petrusamtes in diese gesamte Schau der Kirche konnte aber nicht alle Fragen lösen. „Das Zweite Vatikanische Konzil war nicht in der Lage, die neuen Elemente - die in Wirklichkeit der ältesten Tradition entsprechen - vollkommen mit den Aussagen des Ersten Vatikanischen Konzils zu versöhnen; viele Themen blieben unverbunden nebeneinander stehen." So stellt Kardinal Kasper im Jahr 2005 fest. „In diesem Sinn blieb nicht nur das Erste Vatikanische Konzil unvollständig, sondern auch das Zweite Vatikanische Konzil." Theologische und praktische Fragen gerade zum Verhältnis von Weltkirche und Ortskirche, von Primat und Kollegialität warten noch auf geduldige Klärung.

 

„Der Bischof von Rom ist als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen." So beschreiben beide Vatikanischen Konzilien den Dienst des Papstes. „Die Einzelbischöfe sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche" (LG 23).

Wir erwarten den Besuch Papst Benedikt XVI. in Mariazell und in Wien. Er ist das sichtbare Prinzip und das Fundament der Einheit der Kirche. Wir hoffen, dass er uns, seine Schwestern und Brüder, im Glauben stärke (vgl. Lk 22,32).

 

Aus: „Pfarrblatt der Dompfarre St. Stephan", Ostern 2007.

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durch die Bischöfe Mitteleuropas anlässlich der "Wallfahrt der Völker" am 22.5.2004

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