Druckansicht - Donnerstag 16. Dezember 2010
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Stilles Gedenken für die österreichischen Opfer der Shoah am Judenplatz

 

Im Anschluss an die liturgische Eröffnungsfeier wird Papst Benedikt XVI. zum unmittelbar benachbarten Judenplatz fahren. Dort wird der Papst - gemeinsam mit dem Wiener Oberrabbiner Paul Eisenberg - ein stilles Gedenken vor dem Mahnmal für die österreichischen Opfer der Shoah halten. Der Judenplatz - Ort der ersten Synagoge auf Wiener Boden - fasst die dramatische Geschichte der Juden in der österreichischen Hauptstadt zusammen. Kardinal Schönborn hat 1998 am Gebäude der Volksschule der Erzdiözese Wien am Judenplatz die Anbringung einer Gedenktafel veranlasst, die folgenden Wortlaut hat:

 

"'Kiddusch haShem" heißt 'Heiligung Gottes'. Mit diesem Bewusstsein wählten Juden Wiens in der Synagoge hier am Judenplatz - den Zentrum einer bedeutenden jüdischen Gemeinde - zur Zeit der Verfolgung 1420/21 den Freitod, um einer von ihnen befürchteten Zwangstaufe zu entgehen. Andere, etwa 200, wurden in Erdberg auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt. Christliche Prediger dieser Zeit verbreiteten abergläubische judenfeindliche Vorstellungen und hetzten somit gegen die Juden und ihren Glauben. So beeinflusst nahmen Christen in Wien dies widerstandslos hin, billigten es und wurden zu Tätern. Somit war die Auflösung der Wiener Judenstadt 1421 schon ein drohendes Vorzeichen für das, was europaweit im 20. Jahrhundert während der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft geschah. Päpste des Mittelalters wandten sich erfolglos gegen den judenfeindlichen Aberglauben, und einzelne Gläubige kämpften erfolglos gegen den Rassenhass der Nationalsozialisten. Aber es waren derer viel zu wenige. Heute bereut die Christenheit ihre Mitschuld an den Judenverfolgungen und erkennt ihr Versagen. 'Heiligung Gottes' kann heute für die Christen nur heißen: Bitte um Vergebung und Hoffnung auf Gottes Heil".

 

Als wichtige Begegnung mit großem symbolischen Charakter hat der Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg das Shoah-Gedenken mit Papst Benedikt XVI. auf dem Wiener Judenplatz bezeichnet. Benedikt XVI. wird am Freitag, 7. September, unmittelbar nach der liturgischen Eröffnungsfeier auf dem Platz Am Hof zum benachbarten Judenplatz fahren. Dort wird der Papst - gemeinsam mit Oberrabbiner Eisenberg - ein stilles Gedenken vor dem Mahnmal für die österreichischen Opfer der Shoah halten.

Er freue sich auf diese Begegnung, so Eisenberg im "Kathpress"-Gespräch und er wolle den Papst neben dem gemeinsamen Gedenken auch über das lebendige gegenwärtige Judentum in Wien informieren. Der Oberrabbiner erinnerte daran, dass der Platz - Ort der ersten Synagoge auf Wiener Boden - die dramatische Geschichte der Juden in der österreichischen Hauptstadt zusammenfasst.

Das Mahnmal der britischen Künstlerin Rachel Whiteread für die österreichischen Opfer der Shoah wurde am 25. Oktober 2000 enthüllt und geht auf eine Initiative von Simon Wiesenthal zurück. Das Mahnmal ist eine Stahlbetonkonstruktion mit einer Grundfläche von zehn mal sieben Metern und einer Höhe von 3,8 Metern. Die Außenflächen des Kubus sind durchmodelliert als nach außen gewendete Bibliothekswände. Die Regale des Mahnmals sind mit scheinbar endlos vielen Ausgaben ein und desselben Buches bestückt, was für die große Zahl der Opfer und ihre Lebensgeschichte steht. Der Inhalt der Bücher bleibt verborgen. Die Flügeltüren, welche die Möglichkeit eines Kommens und Gehens andeuten, sind nicht zu öffnen.

Die Künstlerin Rachel Whiteread will die nach außen gekehrte steinerne Bibliothek als Zeichen für das Judentum verstanden wissen: Das "Volk des Buches" hat trotz aller Verfolgung überlebt und seine Identität bewahrt.

Auf Bodenfriesen, die rund um das Mahnmal eingelassen sind, sind die Namen jener Orte festgehalten, an denen österreichische Juden während der NS-Herrschaft zu Tode kamen. Auf dem Betonboden vor den verschlossenen Flügeltüren ist ein Text in deutscher, englischer und hebräischer Sprache eingelassen, der auf das Verbrechen der Shoah und die geschätzte Zahl der österreichischen Opfer hinweist.

Pogrome im Mittelalter

Während der Pestepidemie von 1349 war es bereits zu tödlichen Ausschreitungen gegen Juden gekommen. 1419 wurden Juden in Wien der Kollaboration mit den Hussiten beschuldigt. Obwohl die Zwangstaufe auch damals durch das kanonische Recht verboten war, wurde dieses Verbot unterlaufen. 1420 setzte in den österreichischen Ländern eine Judenverfolgung ein, es kam auch zu Zwangstaufen. 300 Jüdinnen und Juden widersetzten sich und wählten am Judenplatz den Freitod, 200 wurden in Erdberg auf einem Scheiterhaufen lebendig verbrannt.

Auf diese Geschehnisse verweisen das Misrachi-Haus, der Zugang zu den Ausgrabungen der 1421 zerstörten Or-Sarua-Synagoge, und das spätgotische Relief am Jordan-Haus. Auch die Tafel, die auf Initiative von Kardinal Christoph Schönborn im Oktober 1998 an der Volksschule der Erzdiözese Wien angebracht wurde, erinnert an dieses Ereignis und benennt die Schuld der Christen.

Das spätgotische Relief am Jordanhaus zeigt die Taufe Christi, ist zugleich aber eine Schmähung der Juden. Die Gedenktafel des Wiener Erzbischofs ist eine Bitte um Vergebung: Die Christenheit bereue heute ihre Mitschuld an den Judenverfolgungen.

Auch das Lessingdenkmal am Judenplatz zollt dem Geist des Platzes Respekt: Es zeigt einen Teil der Ringparabel aus "Nathan der Weise".

2001 wurde am Judenplatz eine Gedenktafel zu Ehren der "Gerechten unter den Völkern" enthüllt. Unter den Geehrten sind auch Frauen und Männer, die aus christlicher Motivation durch Wort oder Tat gegen den Rassenwahn des Nationalsozialismus Stellung genommen hatten.

2006 schließlich segnete Oberrabbiner Eisenberg die Mesusah, die traditionelle jüdische Schriftrolle, für den Eingang zur neu geschaffenen Galerie "Art-Forum" im Jordan-Haus. Auch diese Mesusah ist als "Antithese" zum antijüdischen Relief am gleichen Haus gedacht.

 



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durch die Bischöfe Mitteleuropas anlässlich der "Wallfahrt der Völker" am 22.5.2004

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